BBV-Artikel „Käthe trifft Martin“ – im Museum

Die Begegnungsstätte „Käthes Treff“ hat mit der Kindertagesstätte St. Martin ein neues Projekt ins Leben gerufen: Vier Mal im Jahr besucht nun eine elfköpfige Kindergruppe gemeinsam mit Menschen, die an leichter Demenz leiden, das Textilmuseum. Gestern trafen sie sich dort zum ersten Mal. VON RENATE WITTELER

BOCHOLT Ein Waschbecken ohne Wasserhahn, ein Herd mit Feuer, ein Wohnzimmer ohne Fernseher und vier Betten für sieben Kinder: Die vier- und fünfjährigen Jungen und Mädchen der Kindertagesstätte (Kita) St. Martin staunten nicht schlecht, als sie im Arbeiterhaus des Textilmuseums das Leben Anfang des 20. Jahrhunderts nachempfinden konnten. Und die vier, an leichter Demenz erkrankten alten Menschen, die mit ihnen das Museum besichtigten, erzählten aus ihren Kindheitstagen. Daran könnten sie sich meist besser erinnern als an Dinge der Gegenwart, erklärte Gruppenleiterin Bärbel Hartmann von der Begegnungsstätte „Käthes Treff“.

Die Lebendigkeit der Kinder stecke die alten, demenzkranken Menschen an. „Die Freude und der Spaß ist an ihren Gesichtern erkennbar“, sagt Hartmann. Schon länger gebe es deshalb neben einem „Besuchshund“ auch die Kita-Gruppe, die regelmäßig zu „Käthes Treff“ komme. Das neueste gemeinsame Projekt laute „Erzählen, erleben, erinnern: Käthe trifft Martin“ – im Bocholter Textilmuseum. Vier Mal im Jahr soll es dieses Museumstreffen geben, um Abwechselung in den Alltag der Demenzkranken zu bringen.

Durch das „Erlebnis früher – heute“ lernten auch die Kinder viel Neues, sagt Kita-Leiterin Bernadette Paus. Die alten Menschen erzählten ihnen, wie es ist, keine Heizung im Schlafzimmer zu haben, kaum Spielzeug zu besitzen, zu mehreren Kindern in einem Bett zu schlafen oder sich in einer Waschschüssel zu waschen.

Museums-Sonderpädagogin Barbara Schulz, die die beiden Gruppen durchs Arbeiterhaus führte, bot ihnen auch Caro-Kaffee und Sirup an. „Bohnenkaffee war früher etwas ganz Besonderes, den gab’s nur zu bestimmten Festtagen wie Weihnachten“, erklärte sie. „In Ostfriesland, wo ich herkomme, wurde Tee getrunken“, vermeldete eine alte Dame, während ein Junge laut schluckte. „Das mag ich nicht!“, protestierte er und stellte seinen Caro-Kaffee auf den Tisch.

Andere Kinder machten sich derweil über den Sirup her. Aus Beeren sei er früher selbst gemacht worden, erklärte eine Dame. Ganz lange Zeit, fast ein Jahr habe er halten müssen, ergänzte Schulz mit Blick auf ein Mädchen, das den Sirup statt zu verdünnen pur genoss.

Und dann berichtete eine Demenzkranke, dass die Menschen das Fleisch des Schweins, das sie früher zu Weihnachten schlachteten, in Einmachgläsern einkochten, um es haltbar zu machen. Die Jungen und Mädchen nahmen das einfach hin – vielleicht, weil sie sich darunter nichts vorstellen konnten. Erst als Schulz berichtete, dass das Gemüse früher fast ausschließlich aus dem Garten kam, rief ein Junge laut „Bäh!“.

„Käthes Treff“ ist die Begegnungsstätte für Menschen mit leichter Demenz im Wichernhaus in Stenern. Dort treffen sich an vier Tagen in der Woche etwa 15 Männer und Frauen. Die Öffnungszeit ist von 8.30 bis 14.30 Uhr. Bereits seit mehr als drei Jahren werden die alten Menschen mit Demenz ein Mal im Monat von Vier- bis Fünfjährigen aus der Kindertagesstätte (Kita) St. Martin in Stenern besucht.

BBV-Artikel am 26.10.09 erschienen

Veröffentlicht: 27.10.2009



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