Impuls am Abend - Eine verräterische Lücke...

... im Glaubensbekenntnis...

Wenn ich das Glaubensbekenntnis spreche, fällt mir immer eine Lücke auf. Nach dem „geboren von der Jungfrau Maria“ folgt sofort „gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben“. Das ganze Leben und Wirken des irdischen Jesus kommt nicht vor und damit fehlt ein großer Teil der Evangelien mit ihren Gleichnissen, Wundererzählungen und Reden Jesu.
Diese Lücke ist verräterisch. Sie verrät, dass das Jude-Sein Jesu und das ganze Judentum von den Christen abgelehnt wurde. Spuren davon finden sich schon im Neuen Testament. Diese Verachtung der Juden und der jüdischen Religion ist eine der Wurzeln des bis heute verbreiteten Antijudaismus mit den schrecklichen Verfolgungen und Ermordungen jüdischer Menschen – bis hin zu Auschwitz.
Erst seit etwa 70 Jahren finden Begegnungen und Gespräche zwischen Juden und Christen statt. Besonders das Zweite Vatikanische Konzil hat in der katholischen Kirche eine große Veränderung bewirkt. Man hat die Juden um Verzeihung gebeten für die schlimmen Verbrechen, die ihnen im Namen des Christentums angetan worden sind. Die jüdische Religion wurde als legitimer Weg zum Heil anerkannt und Bekehrungsversuche abgelehnt. Der Bund Gottes mit Israel ist ungekündigt. Ein wichtiges Thema bei den Gesprächen ist die Frage nach der Bedeutung des Juden Jesus von Nazareth für die Juden und die Christen. Gemeinsam fragen sie nach dem irdischen Jesus.
Diese erfreuliche Entwicklung ist mühsam. Immer wieder gibt es Rückschläge, so z.B. durch einen Text, den der ehemalige Papst Benedikt XVI. im Jahre 2018 veröffentlicht hat. Er betont darin noch immer den Vorrang der christlichen Religion.
Die Lücke im Glaubensbekenntnis ist verräterisch. Vielleicht lassen Sie sich beim Sprechen des Bekenntnisses verraten, was da fehlt.
Es lohnt sich, diese und andere Lücken wahrzunehmen
meint Hans Döink                                                
Veröffentlicht: 27.07.2020



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