Impuls am Abend - Leere Kirche

In den leeren und geschlossenen Kirchen sehe ich eine Botschaft, so sinngemäß der tschechische Priester und Theologe Tomás Halík. Er geht der Frage nach, wie die katholische Kirche sich neu verstehen muss angesichts der Tatsache, dass Kirche ja nicht allein auf die Feier von Gottesdiensten zu reduzieren ist, wie es wohl manche Zeitgenossen tun.
 
Während des ersten Lockdowns hieß es u. a. über die christlichen Kirchen: Mit dem Verbot (freiwilligen Verzicht) öffentlicher Gottesdienste und den verschlossenen Kirchengebäuden seien die christlichen Kirchen und ihre Vertreter und Leitungen (Bischöfe) abgetaucht.
 
Das mag zum Teil zutreffen; aber generell stimmt dies nicht. In vielen Kirchengemeinden wurden digitale Angebote geschaffen; so ja auch bei uns in Liebfrauen Bocholt. Stichwort: Gottesdienst im Livestream oder der Impuls am Abend. – Ebenso stimmt nicht, dass die Kirchen generell geschlossen sind. So manche Kirche ist auch tagsüber offen. Die offene Kirche lädt ein zum Verweilen, zum Verschnaufen und Aufatmen, zum Entzünden einer Kerze, zum eigenen, persönlichen Gebet. – So habe ich die Gelegenheit, eine leere Kirche zu erleben, ohne dass dort etwas Bestimmtes stattfindet.
 
Und doch trifft der Gedanke von Tomás Halík zu. Die Corona-Pandemie zeigt wie in einem Brennglas oder wie bei einem Kontrastmittel, jetzt nur schärfer und deutlicher, die Zustände oder besser Missstände; so z. B. im politisch-gesellschaftlichen Bereich der Rückstand in der Digitalisierung. Im kirchlichen Bereich z. B: die Erstarrung in Formalismus, fehlende Reformen, u.v.m.
 
Der Priester und Dichter Andreas Knapp hat es in einem Gedicht * so formuliert:
 
verlassene kirche
über dem portal –  flugunfähige engel
im windfang – petrus fischt mit einem spinnennetz
ausgetrocknetes weihwasserbecken – staub bist du
vierzehn nothelfer – gut abgehängte ladenhüter
das ewige licht – vor dem ablaufdatum erloschen
der barocke altar – brotloses kunstwerk
zu essig der letzte wein – der gekreuzigte wendet sich ab
 
Manches erlebe ich zur Zeit davon: leere Weihwasserbecken, Spinnennetze im Windfang; und kürzlich sogar „zu Essig“ gewordener Wein; jedenfalls schmeckte er nicht mehr gut. (Auch eine Folge der Messfeiern ohne Kelchkommunion für die Gemeinde.)
 
Die leere Kirche – ein Bild, das mich nachdenklich stimmt. Kirche ist mehr als Gottesdienst oder Gebäude. Kirche ist die Gemeinschaft der Christinnen und Christen. Ich bin Teil dieser Gemeinschaft, dieser Kirche. Ich will sie lebendig erleben im Miteinander, im Glauben, Hoffen, Lieben und Handeln in neuen Formen, auf neuen Wegen.
 
Die Osterzeit endet mit dem Pfingstfest, Fest des Hl. Geistes. In einem Lied heißt es:
Komm, Heilger Geist, mit deiner Kraft, die uns verbindet und Leben schafft. Wie der Sturm, so unaufhaltsam, dring in unser Leben ein. Nur wenn wir uns nicht verschließen, können wir deine Kirche sein.“ (Gotteslob 788)
 
Rafael van Straelen
 
 
* Andreas Knapp; Höher als der Himmel. Geistliche Gedichte; Echter-Verlag, ³2015
 
Veröffentlicht: 27.04.2021



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