Artikel der Kirchenzeitung ˝700 Jahre Liebfrauenkirche˝

Bocholt. Bedeutsam für die Bocholter Stadtgeschichte und die Kirchengeschichte im deutsch-niederländischen Grenzraum ist die Liebfrauen-Kirche. Die Dynamik des Glaubens brachte zahllose Menschen im Lauf der Jahrhunderte dazu, sich stets von neuem für die Kirche einzusetzen, sie zu verschönern, umzugestalten oder – wie nach dem Zweiten Weltkrieg – wieder aufzubauen.  

Wenn Rolf Oechtering aus dem Fenster seines Büros schaut, fällt sein Blick auf den Turm der Liebfrauen-Kirche. "Eine bessere Aussicht kann ich gar nicht haben. Diese Kirche ist meine Heimat", sagt der 33-Jährige. Dies sagt er mit einer solchen Selbstverständlichkeit, als wenn das Gotteshaus sozusagen sein zweites Zuhause ist. Die Liebfrauen-Kirche ist ihm seit seiner frühen Kindheit lieb geworden. Lange Zeit war er dort Messdiener, engagierte sich in der Jugendarbeit der Gemeinde, weil er immer "aktive Kapläne" erlebt habe. Mit 16 Jahren ließ er sich erstmals in den Pfarrgemeinderat wählen, später leistete er in der Gemeinde seinen Zivildienst.

Als Oechtering nach seinem Studium der Sozialarbeit in Münster in der Seniorenheim-Arbeit der Bocholter Kardinal Diepenbrock GmbH seine berufliche Stellung fand, war ihm klar, dass seine Wohnung im Gebiet der Liebfrauen-Gemeinde liegen sollte. "Es macht mir einfach Freude, in der Gemeinde mitzuarbeiten und Kirche vor Ort zu gestalten", sagt Oechtering. Dass er sich neben seiner Pfarrgemeinderatsarbeit im Jubiläumsausschuss "700 Jahre Liebfrauen-Kirche" hat einspannen lassen, war für ihn selbstverständlich: "Viele Gemeindemitglieder machen mit. In die Projekte sind viele eingebunden. Das schweißt zusammen."

Für die Vorbereitungen des Jubiläums, das mit einer am 2. Mai beginnenden Festwoche und vielen Veranstaltungen begangen wird, hat sich auch Gertrud Becker "einspannen" lassen. Die 56-Jährige stammt aus der Landgemeinde Stenern. Sie kann sich noch gut an die "alten Zeiten" erinnern, als man noch mit dem Milchwagen vom Land zur in der Innenstadt gelegenen Liebfrauen-Kirche gefahren ist. "Dieses Gotteshaus liegt mir am Herzen. Was die Vorfahren mit viel Arbeit geschaffen haben, muss erhalten bleiben", sagt Becker. Ihr Vater und Großvater hätten bei den Umgestaltungen des Kirchenraums in den vergangenen Jahrzehnten den Altar drei Mal versetzt. "Das historische Interesse am Gotteshaus liegt also schon in der Familien-Tradition begründet", sagt Becker über ihre Verbundenheit mit der Liebfrauen-Kirche. Nach der Zusammenführung mit den Gemeinden Heilig Kreuz und Herz Jesu gilt ihr Augenmerk auch den Gotteshäusern, die sie ebenfalls oft besucht. "Wir verstehen uns als große Gemeinde. Ein reines Kirchturmdenken ist nicht gut."

Entsprechend wird das Jubiläum als dankbares Bekenntnis zum historischen Erbe, freudiges Zeugnis christlichen Selbstbewusstseins und bleibender Hoffnung auf die Zukunftsfähigkeit des Glaubens begangen. "Mit dieser Kirche verbindet sich die Geschichte vom Aufbruch, vom Initiativwerden, von der Dynamik unseres Glaubens", sagt Dechant Klaus Winterkamp und nennt Beispiele aus der Historie: Von der Liebfrauen-Kirche aus haben die Minoriten 1627 begonnen, die Botschaft vom auferstandenen Gottessohn neu zu verkünden, nachdem das katholische Leben in der Stadt darniederlag. "Von Liebfrauen aus haben sie zudem seit 1635 mit ihren Gottesdienststationen entlang der Grenze zu den Niederlanden die christliche Identität der niederländischen Katholiken gewährleistet, weil diesen bis in das 18. Jahrhundert hinein untersagt war, den katholischen Glauben öffentlich zu leben", erläutert Winterkamp. 1803 sei dann das Kloster aufgelöst worden.

In allem Auf und Ab der Kirchengeschichte hat es immer neue Aufbrüche gegeben, so auch 1945: Als die Liebfrauen-Kirche in den letzten Kriegsmonaten zerstört wurde, fanden die Katholiken Aufnahme in der evangelischen Christus-Kirche. Dort feierten sie in den Nachkriegsmonaten Gottesdienste, dort begann sogar die Fronleichnamsprozession – zur damaligen Zeit eine Einmaligkeit. Die guten Beziehungen zur Christus-Gemeinde werden im Jubiläumsjahr mit einer ökumenischen Rom-Fahrt gefestigt.

Am 2. Mai 2010 um 10 Uhr feiert Bischof Felix Genn ein Pontifikalamt. Beim anschließenden Festakt im Städtischen Bühnenhaus spricht Theologie-Professor Hermann Josef Pottmeyer über das Leitwort des Jubiläums und den Vers aus dem Lukas-Evangelium "Wird der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden?".

Am 3. Mai 2010 gestaltet die Gemeinde einen Tag der Seelsorgerinnen, Seelsorger und Ordenschristen. Der Tag der Frauen wird am 4. Mai 2010, der Tag der Seniorinnen und Senioren am 6. Mai 2010 begangen. Für Kinder und Jugendliche gibt es ein vielfältiges Programm am 7. Mai 2010. Am 8. Mai 2010 organisiert die Gemeinde einen City-Lauf zum Auftakt des Pfarrfestes, das am 9. Mai 2010 nach dem Festgottesdienst stattfindet. Am 26. Juni 2010 werden die Feiern mit einem "Handwerkertag" fortgesetzt. Nicht zuletzt wird am 5. September 2010 der Erzbischof von Utrecht, Willem Jacobus Eijk, in Liebfrauen erwartet.

Text: Johannes Bernard | Foto: Johannes Bernard in Kirche + Leben 30.04.2010

Erschienen unter kirchensite.de

Veröffentlicht: 08.05.2010



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