Interview der Kirchenzeitung zur Fusion mit Pfarrer Dr. Klaus Winterkamp

Kirche+Leben: Am 30. März werden die vier Gemeinden Heilig Kreuz, Herz-Jesu, Liebfrauen und St. Helena fusionieren. Wie haben sich die Gemeinden auf diesen Tag vorbreitet?

Aus den Gemeinden ist ein Fusionsausschuss gebildet worden, der sich aus jeweils 2 Mitgliedern der Kirchenvorstände und der Pfarrgemeinderäte zusammengesetzt hat. Er hat sich zunächst mit der Gottesdienstregelung befasst, die bereits seit Anfang Januar Gültigkeit hat, und neben finanztechnischen Fragen eine erste Bestandsaufnahme dessen gemacht, was in den einzelnen Gemeinden an Gruppen, Gremien, Institutionen, Einrichtungen, Gewohnheiten, Festen und Bräuchen vorhanden oder üblich ist. Bei alledem hat sich der Fusionssausschuss immer darum bemüht, sowohl die Gemeinden als auch die Bocholter Öffentlichkeit über den Fusionsprozess zu informieren und – last but not least – hat der Ausschuss natürlich die Gestaltung des Fusionstages selbst in den Blick genommen.



Kirche+Leben: Welche Kritikpunkte mussten Sie im Vorfeld aus dem Weg räumen?

Natürlich war das Ausarbeiten einer neuen Gottesdienstordnung für alle Beteiligten eine herausfordernde Aufgabenstellung. Kompromissbereitschaft war von allen Seiten erforderlich – auch seitens des Seelsorgeteams. Wenngleich es selbstredend hier und da immer wieder einzelne Kritiken an der gefundenen Lösung gibt, meine ich doch sagen zu dürfen, dass es bei den allein acht Messfeiern samstags und sonntags jedem Gläubigen, der halbwegs willig ist, möglich sein müsste, eine für ihn angenehme Messzeit zu finden. Auch die Zusammenlegung der Pfarrbüros ist nach wie vor nicht für jeden nachvollziehbar, doch ist das eine arbeitstechnisch unvermeidbare Bedingung für das Gelingen der Fusion. Die Anfragen des ein oder anderen Kirchenvorstandsmitglieds an die zukünftige Regelung der Vermögensverhältnisse konnten geklärt werden.



Kirche+Leben: Die neue Gemeinde wird 17000 Mitglieder zählen. Wie können Sie verhindern, dass eine anonyme Großgemeinde entsteht?

Bewusst hat sich der Fusionssauschuss dafür entschieden, die bisherigen Pfarrgemeinderäte der einzelnen Gemeinden über den Tag der Fusion hinaus als Gemeinderäte bestehen zu lassen. Manches muss und soll auch weiterhin vor Ort weiterlaufen. Ohne einem Kirchturmdenken zu verfallen, ist klar, dass die Identifizierung vieler mit der neuen Situation zunächst über „ihre“ Kirche, „ihre“ Gruppe oder „ihrem“ örtlich verankertem Engagement läuft. Gerade darum hat der Fusionsausschuss sich ja auch bemüht, in allen Kirchen am Wochenende mindestens eine Messfeier zu sichern. Umgekehrt werden manche Verbände, Gruppen und Einrichtungen, die in allen bisherigen Gemeinden vertreten sind, in den nächsten Jahren sicherlich häufiger über ihren eigenen Tellerrand hinausschauen, um gleiche oder ähnliche Programmpunkte auch gemeinsam durchzuführen und auf diese Weise zu einer übergreifenden Identitätsfindung der Pfarrei beitragen.



Kirche+Leben: Mit welchen Hoffnungen und Erwartungen übernehmen Sie die Leitung der Pfarrei?

Auf genau derselben Basis wie bisher: Im Wissen darum, dass es in allen Gemeinden zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf haupt-, neben- und ehrenamtlicher Basis gibt, die auch über den Tag der Fusion hinaus weiterhin engagiert und leidenschaftlich ihre Arbeitsbereiche und Interessengebiete wahrnehmen. Auf dieser Basis werden alle zunehmend lernen, die eigenen Anliegen, Aufgaben und Inhalte vom Ganzen der Pfarrei her in den Blick zu nehmen und von dorther zu denken.



Kirche+Leben: Das Bistum Münster hat im Zug der Sparbemühungen im Finanzhaushalt die Zuschüsse für die Gemeinden gekürzt. Welche Einsparungen müssen Sie in der nächsten Zeit durchsetzen? Von welchen Immobilien muss sich die neue Gemeinden trennen?

Dazu haben sich bisher weder der Fusionsausschuss noch die Zentralrendantur noch die einzelnen Kirchenvorstände ernsthafte Gedanken gemacht. Seitens des Bistums Münster sind noch keinerlei Einsparungen vorgeschrieben, die zeitnah umgesetzt werden müssten. Ebenso wenig sind bestimmte Immobilien ins Auge gefasst worden, von denen man sich umgehend trennen müsste. Welche Einsparungen langfristig gesehen notwendig sein werden, wird sich im Laufe der Zeit herauskristallisieren.



Kirche+Leben: In Bocholt ist schon länger die Zusammenlegung anderer Pfarrgemeinden im Gespräch. Als Dechant besitzen Sie auch die Funktion als Moderator. Wie werden Sie die weiteren Strukturveränderungen der Seelsorge in der Stadt angehen?

So wenig Bischöfe es mögen, wenn ihnen Rom – geschweige denn die Bischofskonferenz – in die Leitung ihrer Diözesen hineinredet, so wenig mögen es Pfarrer, wenn ihnen Dechanten in die Leitung ihrer Pfarreien hineinreden. Es ist ja beredt genug, dass das Subsidiaritätsprinzip in der Kirche in der Regel von den untergeordneten, kaum von den übergeordneten Instanzen zur Sprache gebracht wird! Als Dechant habe ich keine rechtlichen Befugnisse – auch nicht, was Strukturveränderungen der Seelsorge in der Stadt oder im Dekanat Bocholt betrifft. Unmittelbarer Vertreter des Bischofs vor Ort ist der Pfarrer, nicht der Dechant. Zudem sind Dekanate im Unterschied zu den Pfarreien keine theologische Größe, stellen letztere doch – wie das Zweite Vatikanische Konzil formuliert – „auf eine gewisse Weise die über den ganzen Erdkreis hin verbreitete sichtbare Kirche dar“ (SC 42). Insofern kann man, was die theologische Sinnhaftigkeit und praktische Notwendigkeit von Gemeindefusionen oder ähnlichen Strukturveränderungen in der Seelsorge betrifft, auch noch mal ein Fragezeichen machen – sogar als Dechant.



Kirche+Leben: Wie kann die Zusammenarbeit aller Bocholter Gemeinden gefördert werden?

Die Zusammenarbeit der Bocholter Gemeinden funktioniert auch jetzt schon auf relativ gute Weise. Durch die bevorstehende Fusion und die bereits erfolgte Zusammenlegung in Rhede wird die Zahl zumindest der Pfarrer im Dekanat ja auch immer überschaubarer! Neben den Pastoralkonferenzen, die sich guter Beteiligung erfreuen, und alle wichtigen Belange der Seelsorge thematisieren, gibt es die Jugendseelsorgekonferenz, in der alle wichtigen Fragen der Jugendarbeit stadtweit geregelt werden. Die Jugendkirche leistet auf ihre Weise ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung und Zusammenarbeit seelsorglicher Aufgaben. Außerdem existiert seit einigen Jahren der Trägerverbund der katholischen Tageseinrichtungen für Kinder auf Stadtebene, der das Qualitätsmanagement der Einrichtungen im Auge behält und insbesondere die Konsequenzen aus dem neuen Kinder- und Weiterbildungsgesetz diskutiert. Daneben bietet das Konveniat, das dekanatsweit mehr oder minder alle 14 Tage die Seelsorgerinnen und Seelorger zusammenführt, die Möglichkeit, auf kurzem Weg und unkompliziert Absprachen zu treffen und aktuelle Fragen zu besprechen.



Das Interview wurde durch Herrn Bernhard geführt.

Veröffentlicht: 20.03.2008



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