WIDERSPRUCH

Am Dienstagmorgen (16.3.) haben wir im Seelsorgeteam per Videokonferenz über die Schöpfungserzählung gesprochen. Bedeutende Bibeltheologen haben eine interessante Deutung der biblischen Schöpfungserzählung vorgeschlagen. Danach sagen die Texte nichts über den Anfang der Welt. Sie wollen nicht sagen, wie die Welt entstanden ist, sondern sie sind eine Vision, wie die Welt einmal sein kann. Sie wollen zeigen: “Was niemals war, doch möglich ist“ (Andreas Benk, Schöpfung – eine Vision von Gerechtigkeit, S. 1). Sie sind ähnlich zu verstehen wie prophetische Bibeltexte, wie etwa die Vision vom Friedensreich beim Propheten Jesaja: „Der Wolf findet Schutz beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein, Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Junge leitet sie…“ (Jes 12,6, ähnlich Jes 65,25). Das sind Visionen der Vollendung und nicht Beschreibung eines gegenwärtigen Zustandes.
Wenn man die Schöpfungserzählungen so versteht, gibt es keine Konflikte mit der Evolutionstheorie oder anderen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Dann kann man aber auch aus der Schöpfung nicht einfach eine gottgewollte Ordnung ableiten.
Wir haben in unserem Gespräch auch über die Verlautbarung der vatikanischen Glaubenskongregation vom 15.3.2021 gesprochen. Sie sagt, dass eine Segnung „für Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts“ nicht möglich ist. Neben anderen menschenverachtenden Aussagen bezieht sich der Text auch auf die Schöpfungsordnung und spricht von „Plänen Gottes, die in der Schöpfung eingeschrieben“ seien (Nr. 6). Kann man aus der Schöpfung, die sich autonom entwickelt, Pläne Gottes ableiten?
Es ist nicht zu verstehen und empörend, dass die Verlautbarung weder Erkenntnisse der Bibelwissenschaft noch die der Humanwissenschaften ernst nimmt. Es geht nicht, dass in apodiktischer Weise ernsthafte Überlegungen und Gespräche, an denen auch Bischöfe beteiligt sind, abgewürgt werden.
Wir sind uns einig, dass diese Verlautbarung das Ansehen der Kirche wieder massiv beschädigt.

Hans Döink, für das Pastoralteam der Pfarrei Liebfrauen, Bocholt
 
Veröffentlicht: 17.03.2021



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