Adventskalender - Heil werden

„Dor is dat Beste van aave”, da ist das Beste von ab. Der Lack blättert, der Putz bröckelt. Die einstige Schönheit ist dahin. So ist das eben, wenn Wind und Wetter ihre Spuren hinterlassen und der Zahn der Zeit beständig nagt. Und wenn die Wände erstmal feucht sind, na dann gute Nacht. Dann wird es richtig teuer, wenn das noch einmal heile gemacht werden soll. Das kann sich heute kaum noch jemand leisten.

Beim Anblick einer alten Hausfassade, die augenscheinlich kurz vor dem Einsturz steht, fällt es schwer zu glauben, dass hier einmal wieder alles heile sein wird. Die Fenster erneuert, das Fachwerk frisch gestrichen und die Tür wieder geöffnet statt mit einem Brett vernagelt. So wie es aussieht, ist es für dieses Haus zu spät. Das wird nichts mehr.

In seinem Buch „Der Klang“ schreibt der Geigenbauer Martin Schleske darüber, den richtigen Zeitpunkt nicht zu verpassen, um heil zu bleiben. Er vergleicht unser menschliches „heile sein“ mit einem Werkzeug, dass wieder neu geschliffen werden muss. Man denkt: ach, es geht schon noch etwas. Aber die Unebenheiten werden immer größer. Und irgendwann ist ein Schaden da, der nur mit viel Mühe wieder behoben werden kann.

Rechtzeitig dafür sorgen, dass wir als Menschen heil werden können, das ist eine hohe Kunst. Auch ich habe oft das Gefühl, dass es noch geht. „Ich mach das schon. Das geht wohl noch. Das krieg ich noch hin…“ Aber am Ende steht die Erkenntnis: Es war doch zu viel und hat nicht gut getan. Heil werden ist wichtig und braucht seine eigene Zeit und Aufmerksamkeit. Die dürfen wir uns nehmen. Gäbe es einen besseren Tag dafür als den heutigen?

Übrigens: Die alte Fachwerkfassade auf dem Bild oben steht in Halberstadt. Das Dach ist schon repariert und ganz neu eingedeckt. Auch der Rest des Hauses wird vermutlich wieder heile werden.

Christian Fechtenkötter